Auf einen Blick.
- Geboren 1952
- 1971-1976 Studium der Philosophie, der Geschichte und der Sozialwissenschaften in Bochum, Berlin, Marburg und Frankfurt a.M.
- 1977 Promotion im Fach Philosophie in Frankfurt a.M.
- 1982 Habilitation für Neuere Geschichte in Münster/Westf.
- 1985-2017 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Erlangen und verantwortlich für die historische Ausbildung der Attachés im Auswärtgen Amt
- Gastprofessor an der Columbia University, New York, am St. Antony’s College, Oxford, an der London School of Economics and Political Science und an der Universität Zürich
- Berater in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur
- Autor von 29 Monographien
- Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes und des Nachlasses von Willy Brandt
- Mitarbeiter von Presse, Hörfunk und Fernsehen
Die ganze Geschichte.
Was macht ein Biograph, wenn er zum Autobiographen wird? Er geht auf Distanz und erzählt sein Leben in der dritten Person. Eine interessante Erfahrung. Und das ist dabei herausgekommen.
Gregor Schöllgen ist Rheinländer.
1952 wird er in Düsseldorf geboren. Die ersten Gymnasialjahre verbringt er am Aloisiuskolleg zu Bad Godesberg, geht aber mit 14 zurück in seine Heimatstadt und macht 1971 am dortigen humanistischen Görres-Gymnasium sein Abitur. Einer seiner Großonkel ist der Düsseldorfer Maler Hubert Schöllgen, ein anderer der an der Bonner Universität lehrende Moraltheologe und Soziologe Werner Schöllgen, mit dem er in dessen späten Jahren in einem regen Gedankenaustausch steht. Der Großvater mütterlicherseits, der an einem Düsseldorfer Gymnasium Latein und Griechisch unterrichtet hat, prägt ihn. Die Mutter arbeitet nach dem Abitur als Apothekerin, der Vater ist Arzt, auch die Geschwister werden Ärzte. Sein fast gleichaltriger Vetter Georg Schöllgen, mit dem er während des Studiums große Reisen unter anderem in den Orient und nach Nordafrika unternimmt, bekleidet bis 2016 den Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Bonn. Die Namensähnlichkeit der fast gleichaltrigen Historiker Georg und Gregor Schöllgen führt zu manchen kuriosen Verwechselungen der Cousins zum Beispiel bei Rezensionsanfragen oder Vortragseinladungen.
Gregor Schöllgen ist ein neugieriger Mensch.
Deshalb wechselt er alle paar Semester die Universität. Um Philosophie, Soziologie und Geschichte zu studieren, geht er von Bochum über Berlin und Marburg nach Frankfurt am Main. Hier promoviert er Anfang 1977: 24 Jahre jung, bei Rüdiger Bubner, im Fach Philosophie und mit einer Arbeit über Max Weber.
Gregor Schöllgen besucht den Orient.
Die Semesterferien nutzt er, um zu arbeiten und sich so seine großen Reisen in den Orient zu finanzieren. Wahrend des Studiums fährt er nach Griechenland und in die Türkei, nach Sizilien und Zypern, nach Syrien, Jordanien, Israel und in den Libanon, nach Marokko, Algerien und Tunesien, nach Ägypten und in den Irak. Meistens mit dem Auto, einem VW Käfer: bis zu 15.000 Kilometer in sechs Wochen. Im Orient findet er sein nächstes Thema.
Gregor Schöllgen geht in die Wissenschaft.
Nach einer kurzen Zwischenstation an der Marburger Universität konzentriert er sich auf die Neuere und Neueste Geschichte, wird 1978 Wissenschaftlicher Assistent von Klaus Hildebrand an der Universität Münster und habilitiert sich dort im Herbst 1982: 30 Jahre alt und mit einer Arbeit über "Deutschland, England und die orientalische Frage 1871-1914". Das wird sein erstes Buch. Beinahe 40 Jahre später erscheint es in einer 700 Seiten starken türkischen Übersetzung.
Gregor Schöllgen als Buchautor.
Zeitgleich mit seiner Habilitationsschrift über die orientalische Frage erscheint 1984 ein zweites Buch über Max Weber. Ihnen folgen in rascher Taktzahl weitere Monographien. Bis heute sind es 30, allesamt in renommierten Verlagen. Viele erscheinen in hohen Auflagen und werden in alle möglichen Sprachen übersetzt. Einige bringen es zum Bestseller. Vier schreibt er mit einem Koautor: Arnulf Baring, Peter Kloeppel, Gerhard Schröder und zuletzt Markus Brauckmann. Bei der fünften Auflage seines erstmals 1986 erschienenen Buches "Das Zeitalter des Imperialismus" ist Friedrich Kießling mit am Bord. Eine Reihe seiner Bücher werden prominent vorgestellt. So zum Beispiel 1999 "Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland" und 2003 "Der Auftritt. Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne" jeweils durch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen); 2015 "Gerhard Schröder. Die Biographie" durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Vorgänger Gerhard Schröder (SPD); 2017 "Krieg. Hundert Jahre Weltgeschichte" durch den vormaligen Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU).
Gregor Schöllgen als Herausgeber.
Neben der Herausgabe von Sammelbänden, insbesondere zur deutschen Politik und Geschichte, macht er sich als Mitarbeiter großer nationaler Editionen einen Namen. Mit Helga Grebing und Heinrich-August Winkler gibt er zwischen 2000 und 2009, also in einer Rekordzeit, die hochgelobte 10-bändige "Willy Brandt – Berliner Ausgabe" heraus. Von 2005 bis 2020 ist er Mitherausgeber der "Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland". Im Auftrag des Auswärtigen Amtes legen die drei Herausgeber und ein Kreis von Bearbeitern in dieser Zeit die Akten für die Jahre von 1961 bis 1962 und von 1975 bis 1990 vor. Die 17 Bände in 39 Teilbänden erscheinen zwischen 2006 und 2021 und haben einen Umfang von insgesamt etwa 34.000 Seiten.
Gregor Schöllgen und das Auswärtige Amt.
Keiner zweiten außeruniversitären Institution ist er so lange, so vielfältig und so intensiv verbunden wie dieser. Seit 1977 arbeitet er als Forscher und Herausgeber im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, immer wieder hat er mit dem Amt historische Ausstellungen konzipiert und realisiert, gelegentlich aus gegebenem Anlaß Vorträge gehalten. Vor allem aber war er von 1982 bis 2017 mit Leidenschaft in der Attachéausbildung tätig. Von 1982 bis 1987 unterrichtete er die Historischen Repetitorien in der Attachéausbildung des Auswärtigen Amtes, von 1987 bis 2017 leitete er dort das Hauptseminar Geschichte, 1987 wurde er zum Fachprüfer Geschichte und Politik im Prüfungsausschuss des Auswärtigen Amtes für den höheren Auswärtigen Dienst bestellt. Von 1992 bis 2012 unterrichtete er im Auswärtigen Amt auch die historischen Kurse der Internationalen Diplomatenausbildung. Heute dürfte es kaum einen deutschen Diplomaten oder eine deutsche Diplomatin geben, der oder die nicht von ihm in die Gegenwart der Geschichte eingeführt worden ist.
Gregor Schöllgen als Chronist deutscher Außenpolitik.
Seit seinen frühen Arbeiten zur Außenpolitik des kaiserlichen Deutschland und zum Zeitalter des Imperialismus gilt er als einer der besten Kenner der internationalen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart. Regelmäßig meldet er sich in Artikeln, Kommentaren und Büchern zur Rolle Deutschlands in der Weltpolitik und zum Umgang der Deutschen mit dieser Rolle zu Wort. Seine zweibändige Geschichte der deutschen Außenpolitik von 1815 bis zur Gegenwart gilt als das Standardwerk zum Thema. Die internationalen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart bilden auch einen stark nachgefragten Schwerpunkt seiner Vortrags- und Lehrtätigkeit.
Gregor Schöllgen als Hochschullehrer.
Seit seinen Anfängen als Tutor am Philosophischen Seminar der Frankfurter Universität war er in der Lehre tatig. Ab 1978 zunächst als Assistent, dann als Professor am Historischen Seminar der Universität Münster und von 1985 bis 2017 als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg bildet er Generationen von Studenten aus, führt etliche zur Promotion, einige zur Habilitation. Viele von ihnen nehmen führende Positionen in der Wissenschaft und im Archivwesen, in der Wirtschaft und in der Unternehmensberatung, in den Medien und im Ausstellungsbereich oder auch in internationalen Organisationen wie der EU und der NATO ein. Parallel zu seiner Hochschullehrertätigkeit lehrt er immer wieder im außeruniversitären Raum, so im Rahmen der Attachéausbildung des Auswärtigen Amtes, zeitweilig auch im Rahmen der internationalen Generals- und Admiralsstabslehrgänge an der Führungsakademie der Bundeswehr oder im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen mit Führungskräften aus der Wirtschaft. Und er lehrt im Ausland.
Gregor Schöllgen lebt und lehrt in den USA, und Großbritannien und der Schweiz.
1978 mit Arbeiten in englischen Archiven und Bibliotheken beginnend, ist er immer wieder auf den britischen Inseln und in den USA tätig. Von 1986 bis 1993 hat er seinen Zweitwohnsitz in New York. In London lebt er zuletzt 1998/99 für längere Zeit. Als Gastprofessor lehrt er 1987 an der Columbia University in New York, 1988/89 am St Antony's College in Oxford, 1998/99 an der London School of Economics and Political Science und von 2005 bis 2010 im Rahmen des Studiengangs "Applied History" an der Universität Zürich.
Gregor Schöllgen und die Medien.
Seit den ausgehenden siebziger Jahren schreibt er für alle großen deutschen Zeitungen, verfasst Hörfunkbeiträge und arbeitet für das Fernsehen. Die Zahl und die thematische Vielfalt seiner Artikel und Buchbesprechungen, Beitrage und Features hat wohl nur er selbst im Blick. Seit 2000 begleitet er Fernsehdokumentationen als Berater. Zu dem Vierteiler "Kanzler, Krisen, Koalitionen" und dem Zweiteiler "Amerika!", die 2002 beziehungsweise 2004 von RTL ausgestrahlt werden, schreibt er begleitende Bücher. Das erste zusammen mit Arnulf Baring, das zweite mit Peter Kloeppel.
Gregor Schöllgen berät.
Für eine eine Reihe von Gremien und Institutionen im wissenschaftlichen und in angrenzenden Bereichen ist er als Berater tätig. So zum Beispiel als Mitglied in den Beiräten der Bundeszentrale für Politische Bildung, des Deutschen Historischen Instituts London, des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände oder des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. Als Gründungsmitglied des Vorstandes baut er acht Jahre lang die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung mit auf, die 1994 durch den Deutschen Bundestag eingerichtet worden ist. Für einige der großen nationalen Ausstellungen – darunter das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und das Militärhistrorische Museum der Bundeswehr in Dresden – schreibt er die maßgeblichen wissenschaftlichen Gutachten.
Gregor Schöllgen konzipiert Ausstellungen.
Nicht nur für das Fernsehen, sondern auch für Bundesministerien und nicht zuletzt für Museen und Dokumentationszentren schreibt er die maßgeblichen Konzepte. So zum Beispiel für das Militärhistorische Museum in Dresden oder das Dokumentationszentrum auf dem vormaligen Reichsparteitagsgelände der Nationalsozialisten in Nürnberg. Tätig wird er auch für Industrieunternehmen, und zwar sowohl als Berater und Konzipient historischer Ausstellungen als auch und vor allem als Chronist ihrer Geschichte.
Gregor Schöllgen als Unternehmenshistoriker.
Ende der neunziger Jahre nimmt er eine neue Herausforderung an, die durch bedeutende deutsche Unternehmerfamilien des Landes an ihn herangetragen wird. Auf der Suche nach ihren Wurzeln und ihrer Geschichte beauftragen sie ihn mit der Sichtung und Ordnung ihrer Papiere und mit der Darstellung und Analyse ihrer Geschichte. Sieben dieser umfangreichen Darstellungen – die Geschichten von Diehl, Brose, Herrenknecht, Schaeffler, Schöller, Schickedanz und SMS, also der Familie Weiss– werden in Buchform veröffentlicht. Mit dem Erfolg auf seinem neuen Betätigungsfeld, das für ihn eines unter anderen ist, macht er sich nicht nur Freunde. Vor allem die traditionell sehr eng aufgestellten deutschen Unternehmenshistoriker sehen dem erfolgreichen Treiben des Konkurrenten zusehends irritiert zu. Vollends nachdem er seine Aktivitäten in einem neuen Zentrum gebündelt hat, blasen sie zur kollektiven Attacke.
Gregor Schöllgen gründet das Zentrum für Angewandte Geschichte.
Die Entscheidung, die drei seit 1999 an seinem Lehrstuhl etablierten, drittmittelfinanzierten Forschungsschwerpunkte ("Internationale Beziehungen", "Ausstellungen und Dokumentationen", "Moderne Unternehmensgeschichte") in einem Zentrum für Angewandte Geschichte (ZAG) zusammenzufassen, fällt Anfang 2006. Aus der leitenden Idee, unter dem Dach der Universität geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte anzusiedeln und umzusetzen, die im Wesentlichen frei finanziert werden, wird eine Erfolggeschichte. Von den Anfängen im Jahr 1999 bis zum Ende seiner universitären Laufbahn und damit des ZAG im Jahr 2017 werden auf dem freien Markt für die Universität gut 1,8 Millionen Euro eingeworben. Vor allem aber werden eine Reihe junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis zur Promotion gefördert und in unterschiedliche berufliche Laufbahnen verabschiedet sowie etliche Vorhaben – Dokumentationen, Ausstellungen, Bücher – realisiert.
Gregor Schöllgen, der freie Markt und die Freiheit der Wissenschaft.
Als Erfinder dieses Modells ist er überzeugt, daß sich die Finanzierung der Forschung auf dem freien Markt und ihre Unabhängigkeit nicht ausschließen, im Gegenteil: Auch Geisteswissenschaftler, sagt er 2007 in einem Festvortrag zum Gründungstag seiner Universität, müssen sich grundsätzlich als "Dienstleister" auf dem freien Markt behaupten können. Warum, fragt er, sollte ein Historiker hier anderen Spielregeln unterliegen und folgen als ein Maschinenbauer? Allerdings muss seine Unabhängigkeit gewährleistet sein. Ist das nicht der Fall, lehnt er auch noch so attraktive Angebote ab. So die Einladung des Bundesnachrichtendienstes (BND), seine Geschichte aufzuschreiben.
Gregor Schöllgen als Biograph.
Seit den achtziger Jahren beschäftigt er sich mit Persönlichkeiten, die auf die eine oder andere Weise Geschichte geschrieben haben. So Diplomaten wie der 1944 hingerichtete Ulrich von Hassell, markante Unternehmerpersönlichkeiten wie Theo Schöller und Gustav Schickedanz oder auch herausragende Politiker wie die Bundeskanzler Willy Brandt und Gerhard Schröder. Der biographische Zugriff auf Geschichte und Gegenwart fasziniert ihn. Hier finden sich ihre eigentlichen Triebkräfte: Tragödie und Triumph. Krieg und Frieden. Freundschaft und Feindschaft. Vertrauen und Verrat.