Keine Frage, der türkische Staatspräsident bringt sein Land auf einen Kurs, der mit den Werten westlicher Gemeinschaften wie der EU nur schwer vereinbar ist.
Wenn Europa dem türkischen Staatspräsidenten aber jetzt mit dem Abbruch der Verhandlungen über die Einführung der Visafreiheit oder über einen Beitritt zur EU droht und Erdogan die Verantwortung für das Scheitern zuschiebt, ist das die reine Heuchelei.
Denn in den mehr als fünf Jahrzehnten, in denen über diesen Beitritt verhandelt wird, haben die Europäer und allen voran die Deutschen diesen zu keinem Zeitpunkt ernsthaft angestrebt, von der Endphase der Kanzlerschaft Gerhard Schröders einmal abgesehen.
Ähnliches gilt für die Aufhebung des Visumszwangs, der 1980 durch die Bundesrepublik eingeführt worden ist, um den „zu großen Zustrom von Arbeitnehmern aus der Türkei zu beschränken“. Dass man jetzt über die Visafreiheit spricht – sofern die Türkei Sage und Schreibe 72 Bedingungen erfüllt – hat ausschließlich mit der Lage in Syrien zu tun.
Mir reicht diese Ãœberheblichkeit. Ich habe das jetzt einmal aufgeschrieben:
Gregor Schöllgen – Opportunismus schlägt Wertekanon.