Die Art und Weise, wie sich die Staatengemeinschaft, allen voran der sogenannte Westen, durch die Ereignisse in Afghanistan vorführen lässt, ist beispiellos, wenn auch nicht überraschend. Der Abzug der Amerikaner und damit zwangsläufig auch ihrer Verbündeten war beschlossen, die Machtübernahme durch die Taliban faktisch einkalkuliert und damit eine Frage der Zeit. Allerdings hat buchstäblich niemand das Tempo vorausgesagt. Jedenfalls kenne ich keine Stimme.
Womit sich die Frage stellt: Warum hat sich die fünf Mal so starke, vergleichsweise gut gerüstete und ausgebildete afghanische Armee – binnen weniger Tage und praktisch ohne einen Schuss abzufeuern - geschlossen verabschiedet?
Die Antwort geben Friedrike Böge und Thomas Gutschler mit einer glasklaren Analyse in der heutigen FAZ.
Offensichtlich ist die Auflösung der afghanischen Armee für die dort zitierten Kenner keine Überraschung. Das gilt auch für die tiefer liegende Ursache.
Denn nicht erst jetzt ist offenkundig, dass man Staaten und Völker nicht gegen ihren Wunsch und Willen zur Etablierung demokratischer Denkweisen und Strukturen nach westlichem Verständnis bringen oder gar zwingen kann. Das zu versuchen und dann auch noch eine substantielle Unterstützung von der Akzeptanz des westlichen Modells abhängig zu machen, ist anmaßend und mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt.
Da diese Zielsetzung am Ende das einzige Glied gewesen ist, das die Kette der westlichen Politik in Afghanistan noch zusammenhielt, war es eine Frage der Zeit, bis diese riss. Die amerikanische Entscheidung, Afghanistan zu räumen, war der Anlass, nicht die Ursache für das Scheitern des Westens. Jetzt auch am Hindukusch.
Wie es dahin kam, ob die Talfahrt noch aufzuhalten ist und was dafür getan werden muss,
haben Gerhard Schröder und ich aufgeschrieben.