Nadelöhre schaffen Probleme. Der Suezkanal, der eine Woche lang von einem havarierten Containerschiff von apokalyptischer Dimension blockiert wurde, ist ein Nadelöhr. Was auf und an dieser Wasserstraße vor sich geht, beeinflusst die Weltwirtschaft und die Weltpolitik auch und gerade dann, wenn nichts mehr geht. Seit der Kanal 1869, also vor gut 150 Jahren, zu den Klängen von Giuseppe Verdis eigens komponierter Oper „Aida“ eröffnet wurde, stand er regelmäßig auf der Krisenliste der Weltpolitik ganz oben.
Als ich über diesen Eintrag auf meiner Website nachdachte, fiel mir auf, dass der Suezkanal als Krisenherd in sämtlichen gut eindutzend Büchern vorkommt, die ich zu Fragen der internationalen Politik geschrieben habe. Im Falle meines ersten Buches
Imperialismus und Gleichgewicht überrascht das nicht. Denn es befasst sich mit der sogenannten orientalischen Frage in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Auf den ersten Blick nicht selbstverständlich ist hingegen die starke Präsenz des Kanals auch in Büchern, in denen es um die
Deutsche Außenpolitik geht. Tatsächlich fand die Wasserstraße, mit ihrer Verstaatlichung durch den ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser im Juli 1956 beginnend, schon deshalb immer wieder ihren Weg in die Schlagzeilen deutscher Medien, weil es den drei Nahostkriegen der Jahre 1956, 1967 und 1973 auch um den Suezkanal ging.
An seiner politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt: strategischen Bedeutung hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil. Der Kanal bleibt die kürzeste eisfrei Verbindung vom Mittelmeer nach Ostasien. Täglich passieren ihn 52 Schiffe. Das Frachtaufkommen entspricht etwa 13 Prozent des globalen Welthandels.
Die Bilanz der siebentägigen Schließung dieses Nadelöhrs für die Weltwirtschaft sind enorm: Auch weil die alternative Route um das Kap der Guten Hoffnung wesentlich länger und teurer ist, wurden die Schiffe vor den Kanalzufahrten geparkt. Haben sich die Staus aufgelöst, bilden sich neue Engpässe vor den Häfen, in denen die Ladung der verspätet und im Pulk eintreffenden Schiffe zu löschen ist. Die Lieferketten reißen. Nicht nur der Ölpreis steigt. Die Miet- und Kaufpreise für Container und mit ihnen die Frachtkosten gehen durch die Decke. Die Allianz, einer der weltweit größten Versicherer, rechnet mit Einbußen für den Welthandel von wöchentlich bis zu 10 Milliarden US-Dollar.
Womit sich die Frage stellt, wie es dahin kommen konnte, dass geographische und politische, wirtschaftliche oder strategische Nadelöhre einen derart massiven Einfluss auf die Weltordnung nehmen können. Auch darüber geben Gerhard Schröder und ich in unserem neuen Buch
"Letzte Chance – Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen" Auskunft.