Gregor Schöllgen – Historiker

Besetzt und befreit

06.05.2020 
Am 7. Mai 1945 war es vorbei. Als deutsche Generäle im alliierten Hauptquartier in Reims und in der Nacht zum 9. Mai noch einmal im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst mit ihren Unterschriften die bedingungslose Kapitulation quittierten, war der Krieg zu Ende. Jedenfalls in Europa. In Ostasien und im Pazifik dauerte es noch vier weitere Monate, zwei Atombombenabwürfe inklusive, bis die Japaner kapitulierten. 75 Jahre ist das nun her.

Für die Sowjets war und für die Russen ist der 9. Mai 1945 der entscheidende Tag, um sich an diesen Krieg und an die Befreiung von der deutschen Gewaltherrschaft zu erinnern. Die Franzosen feiern die Befreing am 6. Juni 1944, als in der Normandie die Landung der Alliierten begann. Für die Polen wiederum ist der 1. August 1944 das entscheidende Datum, also der Tag, an dem sich die nationalpolnische Heimatarmee in Warschau gegen die deutschen Besatzer erhob. Der Aufstand wurde Wochen später blutig niedergeschlagen.

Jahrzehntelang waren die Gedenken an diese Tage nationale Angelegenheiten. Später wurden auch Vertreter anderer vormaliger Opfer des deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieges zu den Feierlichkeiten eingeladen. Dass 60 Jahre nach Kriegsende, also in den Jahren 2004 und 2005, mit Gerhard Schröder erstmals ein deutscher Bundeskanzler in die Normandie, nach Warschau und Moskau eingeladen wurde, war auch eine Anerkennung für den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit. Gerhard Schröder haben diese Besuche tief bewegt.

Es war Richard von Weizsäcker, der in dieser Hinsicht einen entscheidenden Schritt getan hatte. Am 8. Mai 1985, also 40 Jahre nach der deutschen Gesamtkapitulation, sagte der Bundespräsident in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag: Dieser Tag war ein „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der deutschen Gewaltherrschaft“. Seither steht auch für die Deutschen außer Frage: Die Alliierten kamen nicht nur als Sieger und Besatzer, sonder auch als Befreier und Erzieher. Ich habe das zum Thema einer Kolumne gemacht, die sich für das Fernsehmagazin rtv schreibe.